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ES-TRIN, Artikel 19.03 Nummer 6 - Spezifikation für Großversuche, Modellversuche oder Berechnungen

Frage:

Bei Fahrgastschiffen, die in der Lage sind, höhere Geschwindigkeiten als v=0.4 √gL (so genannte „Gleitboote“) zu erreichen, ist die Stabilität bei Drehkreisfahrten abzuleiten von:
- der Formel nach Artikel 19.03 Nummer 6 bei Geschwindigkeiten unter oder gleich v=0,4 √gL; und
- Groß- oder Modellversuchen oder aus entsprechenden Berechnungen bei Geschwindigkeiten über v=0.4 √gL

Welche Bedingungen gelten für Groß- oder Modellversuche oder die Berechnungen nach Artikel 19.03 Nummer 6 letzter Satz?

Antwort:

Die dynamische Stabilität von Fahrgastschiffen bei Geschwindigkeiten über v=0,4 √gL kann in der Konzeptionsphase entweder durch Berechnungen oder Modellversuche vorausgeschätzt werden. Die Tests können mit der Anwendung eines ständigen Krängungsmoments, das die Fahrgast- und Windmomente simuliert, durchgeführt werden.

Option 1: Ein Versuch mit freifahrenden Modellen kann angewandt werden. Dieses Verfahren wird nur für Überwasserschiffe verwendet, unter Anwendung des Froude-Skalierungsgesetzes: je kleiner das Modell, desto größer die negativen Skaleneffekte und desto größer auch die Herausforderung, ein realistisches Modell zu schaffen, mit eigenem Antrieb und Steuereinrichtungen. Andererseits sind bei größeren Modellen geringere negative Skaleneffekte zu verzeichnen, d.h. für die Genauigkeit sollten größtmögliche Maßstäbe gewählt werden. Das bedeutet, dass das Modell so groß wie möglich sein sollte, wobei die Größe des tatsächlichen Testbeckens in Bezug zu der für den Versuch notwendigen Testfläche zu berücksichtigen ist. Gleiches gilt für die Tauglichkeit der Prüfgeräte. All dies sind maßgebliche Faktoren, die dazu führen können, dass der Versuch nicht durchführbar oder zu teuer ist.
Wenn das Modell dazu tendiert, in der Drehbewegung nach innen zu krängen oder eine Verringerung der Krängung bei steigender Geschwindigkeit in den Schlepptankversuchen zeigt, sind die Stabilitätsanforderungen ausreichend erfüllt.

Option 2: Eine einfachere Alternative könnte ein Schleppversuch mit dem Modell sein (ohne eigenen Antrieb), das sich mit den einschlägigen Freiheitsgraden in ruhigem Gewässer frei fortbewegt. Dies geschieht üblicherweise, um den Beginn oder den Bereich der höheren Geschwindigkeiten herauszufinden und die Bedingungen für das Schiffsgewicht und den Schwerpunkt zu spezifizieren, wo die Schiffsbewegungen aufgrund dynamischer Instabilität auftreten. Ein schräg angeordneter Schleppversuch mit einem Modell, das durch zusätzliche Gewichte an einer Seite geneigt ist, (um das Fahrgast- und Windmoment zu simulieren, siehe oben) könnte dynamische Informationen zur (In-)Stabilität des Modells in ruhigem Gewässer liefern. Wenn nämlich die Krängung des Modells mit zunehmender Geschwindigkeit steigt, deutet dies auf eine der Rumpfform eigene, querverlaufende Instabilität des Schiffs hin (für bestimmte Bedingungen des Schiffgewichts und des Schwerpunkts), so dass weitere Analysen des Verhaltens des Schiffs oder Änderungen des Schiffrumpfs oder der Gewichtseigenschaften durchgeführt werden sollten. Wenn andererseits die Krängung des Modells mit steigender Geschwindigkeit abnimmt, deutet dies darauf hin, dass es keine negativen dynamischen Effekte auf die Querstabilität des Schiffs gibt. Dies sollte durch einen Großversuch bestätigt werden. Auch kann der Einfluss von Antrieb und Zubehör auf die Schiffsbewegung aufgrund von dynamischen Instabilitäten erheblich sein, sodass das im Versuch verwendete Modell mit skalierten Antrieben und Zubehör ausgestattet sein sollte oder es sollten entsprechend angepasste Schleppverfahren genutzt werden. Darüber hinaus können die Auswirkungen von Kavitation und Lüftung, die bei kleinen Modellen signifikant sein können, bei Tests mit Luftdruck nicht vermieden werden, sodass Versuche in Kavitationsanlagen erforderlich sein könnten, wenn mit einem signifikanten Effekt gerechnet wird.

Option 3: Wenn verschiedene negative Effekte bei den Versuchen unvermeidbar sind, wäre eine Computersimulation (Berechnung) mit gemessenen oder vorhergesagten hydrodynamischen Koeffizienten zuverlässiger als Versuche.

Ungeachtet von Modellversuchen oder Berechnungen, muss bei einem Großversuch nach Kapitel 5 das Wendeverhalten bei höheren Geschwindigkeiten (bei Geschwindigkeiten im Nicht-Verdrängerzustand) getestet werden. Wenn bei hohen Geschwindigkeiten die Fahrgäste sitzen müssen, kann das Fahrgastmoment vernachlässigt werden. Die Anwendung des Krängungsmoments wegen Wind kann bei Großversuchen ebenfalls vernachlässigt werden.

Wenn sich das Schiff zur Mitte des Wendekreises neigt, ist es stabil, ohne negative Auswirkungen aufgrund der Wende Das Drehkreismoment kann dann bei der Berechnung des allgemeinen Krängungsmoments des Schiffs vernachlässigt werden. Wenn sich allerdings bei der Wende bei höheren Geschwindigkeiten das Schiff nach außen neigt, dann ist dies eine nicht gewollte und untypische Situation, die eventuell auf eine unzureichende Stabilität des Schiffs im Nicht-Verdrängerzustand hinweist. Hier wäre eine weitere Analyse des Verhaltens des Schiffs angezeigt oder eine Änderung der Rumpfform oder der Gewichtsmerkmale.

Die Ergebnisse des Großversuchs, d.h. das Drehmanöver, sind ordnungsgemäß zu messen und zu dokumentieren, z.B. durch einen elektronischen Neigungssensor und damit verbundenen Geschwindigkeitsmessungen. Es sollte eine volle 360°-Wendung auf jede Seite durchgeführt werden.

CESNI/PT/Pax (20) 29 rev. 2, CESNI/PT/Pax (21)m 14, Punkt 3.11

Arbeitsgruppe für Fahrgastschiffe (CESNI/PT/Pax), Drehkreismoment, Großversuche, Stabilität